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28.

Dec 2012

~nia

The Siren

Kahlen ist eine Sirene. Es gibt maximal vier von ihnen, die alle gemeinsam für die See singen. Immer dann, wenn nicht genug Leben in den Weltmeeren sein Ende findet, werden die Sirenen von der See gerufen und müssen ihren wunderschönen, aber tödlichen Gesang anstimmen.
Damals als Kahlen über Bord eines Schiffes gegangen ist, wollte sie unbedingt leben und wurde durch die See vor dem Ertrinken bewahrt. Damit hat sie sich zu hundert Jahren Sirenendienst verpflichtet. Erst wenn diese abgeleistet sind, entlässt die See sie wieder und sie können ihr Leben als normale Menschenfrauen beenden.

Nach den ersten paar Jahren sind Kahlen die vielen Nachteile ihres 'Lebens' nur zu bewusst: zwar altert sie nicht und ist völlig unabhängig in ihrem Tun und Lassen, doch fühlt sie sich unglaublich einsam ohne die Liebe ihrer alten Familienbande und die echte Nähe zu Menschen. Denn auch wenn die See ihre Sirenen materiell sehr gut versorgt und sie alles tun können, wonach ihnen der Sinn steht, müssen sie in der Nähe von Menschen immer auf der Hut sein. Egal ob Singen oder Sprechen, selbst der leiseste Seufzer - jeder Laut in der Gegenwart von Menschen kann tödlich enden.

Zu Beginn begegnet der Leser in The Siren einer einsamen und sehr unzufriedenen Kahlen. Langsam und ausführlich wird man in das Leben der Sirenen mit allen Vor- und Nachteilen eingeführt. Kahlen hat nur ihre beiden 'Schwestern', die liebeswürdige Marilyn und die bärbeißige und kühle Aisling zur Gesellschaft. Mit den Jahren, die vergehen, kommen neue 'Schwestern' hinzu, zuerst die sanfte und kreative Miaka und später die quirlige, wilde und verrückte Elizabeth. Beide helfen Kahlen dabei, sich mit ihrem Schicksal zu arrangieren und zu einer Person zu werden, die Spaß und Freude aus den unendlichen Möglichkeiten dieses Lebens schöpfen kann. Noch wichtiger ist aber, dass Kahlen beginnt, sich intensiv mit der See auseinander zu setzen. Endlose Gespräche und Diskussionen mit der See erweitern ihren Horizont und ihr Wissen um das Leben ungemein.
Schließlich hat Kahlen keine zwanzig 'Dienstjahre' mehr zu absolvieren, als es passiert: An einem Strand begegnet sie einem jungen Mann, der nicht nur wunderschön sondern auch sehr traurig, einsam und gequält wirkt. Kahlen bekommt seinen Anblick nicht mehr aus ihrem Kopf. Die See warnt Kahlen, dass Tagträume über ihn genau diese bleiben müssen. Doch durch die Begegnung bekommt Kahlen den Wunsch, etwas nützliches und sinnvolles zu tun. Sie lernt Zeichensprache und beginnt nach einiger Zeit damit, taube und taubstumme Teenager und Kinder zu unterrichten. Als die See ein Opfer zu viel von ihr verlangt, reißt Kahlen aus. Die nächste lebende Seele, die ihr begegnet, ist Akinli, genau der junge Mann, der ihr schon vor einiger Zeit begegnet ist. Und da zwischen ihnen extrem schnell eine unglaubliche Vertrautheit und Innigkeit herrscht, lässt Kahlen sich auf ein gewagtes Spiel ein...

The Siren von Kiera Cass ist ein unglaublich stimmungsvolles Buch mit einem ungewöhnlichen Aufbau. Nicht nur der langsame und gemächliche Einstieg in Kahlens Leben ist ungewöhnlich gewesen (etwa tritt Akinli erst nach einem Viertel des Buches überhaupt zum ersten Mal in Erscheinung). Auch die Tatsache, dass mit Kahlen gerade mal zehn Charaktere eine Rolle spielen, von denen einer eine Naturgewalt ist, fand ich einzigartig. Insgesamt hat mir die Interpretation des Sirenenmythos von Kiera Cass sehr gut gefallen, besonders natürlich die Rolle der See (im Englischen als Ocean betitelt, aber da dieser als weiblicher Charakter angelegt ist, habe ich eine weibliche Übersetzung gewählt). Ziemlich schnell stellt man sich als Leser von The Siren selbst die Frage: Wie würde ich mich als Ertrinkende entscheiden, wenn mir eine solche Möglichkeit gegeben würde?
Am meisten hat mich an diesem Erstlingswerk von Kiera Cass neben dem wunderbar gelungenen Ende aber die Protagonistin beeindruckt: Die Wandlung von der einsamen, im Selbstmitleid versinkenden Kahlen hin zu einer Sirene, die ihr Leben genießt und den Segen der See zu schätzen weiß. Weiter zu einer Person, die von sich aus etwas an andere Weitergeben will und schließlich zu einer Frau, die um ihren Traummann und ihr Glück kämpft und dafür alles, auch ihr Leben, aufs Spiel setzt. Diese ganze Entwicklung war wirklich toll zu lesen.
Fazit: Ein Buch, auf das man sich erst einmal einlassen muss. Doch es lohnt sich.

Zu einer deutschen Übersetzung ist mir leider nichts bekannt.

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