Buchjunkies


Rezensionen Empfehlungen Autoren Reihen Tags Rezensionsarchiv

08.

Nov 2012

~nia

The Declaration / Der Pakt

Im Jahr 2140 ist die Welt nicht mehr das was sie einmal war. Seit vor mehr als 100 Jahren der Wissenschaftler Albert Fern eine Substanz Namens Renewal (Erneuerung) entdeckt hat, leben die Menschen ewig. Es gibt keine Krankheiten mehr: Herzinfarkte, Krebs, Lungenentzündung - egal ob Zivilisationskrankheiten oder Seuchen, alles wird von der Pille Longevity (Langlebigkeit) mit dem Wirkstoff Renewal in Schach gehalten. Das gilt für alle, außer den Überschuss. Darunter versteht man alle Kinder, die verbotenermaßen geboren werden. Denn wer Longevity einnimmt, unterschreibt mit 16 Jahren einen Pakt (Declaration), in der er für den Rest seines Lebens auf Nachwuchs verzichtet. Seitdem die Menschen ewig leben, sind es einfach zu viele und die Ressourcen sind inzwischen extrem knapp geworden - Energie und Wasser werden streng rationiert und exotische Produkte aus Übersee gehören der Vergangenheit an.

Anna ist 15 und Überschuss (Surplus). Sie lebt in Grange Hall einem Heim für Kinder, die unrechtmäßig geboren wurden. Alle diese Kinder müssen von klein auf für die Sünden und Verfehlungen ihrer Eltern bezahlen. Sie arbeiten von früh bis spät an ihren Fähigkeiten, ein sogenanntes 'valuable asset', also eine nützliche Anlage für die Gemeinschaft zu werden (im deutschen mit nützlicher Diener/nützliche Dienerin übersetzt). Geführt wird Grange Hall von Margret Pincent, einer gefühlskalten Hausmutter. Sie macht sich die Kinder mit Schlägen und Grausamkeiten gefügig, ohne auch nur für eines von ihnen Zuneigung oder Respekt zu empfinden.
Anna ist inzwischen nahe dran, eine nützliche Dienerin zu werden. Sie hat die Regeln, die für die Surplus gelten, perfektioniert und ihre Gefühle in ihrem Inneren vergraben. Dann kommt der nur unwesentlich ältere Peter nach Grange Hall. Das gab es noch nie, dass ein Surplus so spät von Fängern gefunden wurde. Und tatsächlich ist Peter aus einem bestimmten Grund nach Grange Hall gekommen. Er ist auf der Suche nach Anna, genauer gesagt nach Anna Corey. Diese wurde und wird von ihren Eltern schrecklich vermisst in all den Jahren, in denen sie ihr Kind nicht sehen konnten und durften. Und so stellt Peter Annas Welt in kürzester Zeit völlig auf den Kopf...

The Declaration / Der Pakt ist der erste Band der The Declaration-Trilogie. Um es gleich vorweg zu nehmen: alle drei Bücher sind wirklich lesenswert. Als Leser begegnet man Anna erst, als sie schon über 10 Jahre in Grange Hall lebt. Inzwischen ist sie ein echter Vorzeige-Surplus - beherrscht, fleißig, demütig, meist lautlos und unsichtbar. Trotz ihres perfekten Verhaltens bricht sie aber klammheimlich die Regeln: sie schreibt sich in einem Tagebuch ihren Kummer, ihre Wünsche und ihre Gedanken zum Leben selbst von der Seele - ein Unding für ein Überschussmädchen. Schnell wird deutlich, dass Annas Ehrgeiz, eine nützliche Dienerin zu sein, aus dem Gedanken geboren wurde, endlich aus Grange Hall rauszukommen. Denn nur als 'valuable asset' - etwa in einem privaten Haushalt - sieht sie vielleicht noch mehr von der Welt als graue Mauern und kann die endlosen Schikanen und Demütigungen hinter sich lassen. Doch mit Peter vor der Nase verändern sich ihre Wünsche. Seine Augen leuchten nur so vor Widerstandskraft, seine tollkühne und unbekümmerte Art stellt selbst Mrs. Pincent vor eine Herausforderung und seine Worte rühren nach und nach etwas in Annas Innerem an, dass sie lange verschollen geglaubt hatte: den Wunsch, innig und um ihrer selbst willen geliebt zu werden.

The Declaration / Der Pakt ist ganz klar eine Dystopie der schlimmsten Sorte. Die Welt in der Anna und Peter leben, lehrt einen das Früchten. Dabei passiert zunächst gar nicht viel, außer dass man Grange Hall mit Annas Augen erleben darf. So wird einem als Leser erst langsam bewusst, wie schrecklich diese unsterbliche Gesellschaft ist, in der Kinder von Staatswegen misshandelt und aller Rechte beraubt sind und in der Erwachsene für ihren Wunsch, Eltern zu werden, ins Gefängnis kommen. Wer je darüber nachgedacht hat, ob Unsterblichkeit nicht eine tolle Sache wäre, bekommt diesen Zahn von Gemma Malley ganz schnell gezogen. Ich habe mich selbst beim Lesen ertappt, wie dieser - unterbewusst wohl doch vorhandene Wunsch - auf Nimmerwiedersehen von meiner Lebenswunschliste verschwunden ist. Niemals wollte ich in einer Welt leben, in der Kinder und die durch sie erfahrene Freude etwas Verbotenes sind.
Ab der zweiten Hälfte nimmt das Buch dann auch sprunghaft an Spannung zu, um mit einem unvorhergesehenen und furiosen Finale zu enden. Wer Spaß an der Lektüre hatte, kann sich danach auf The Resistance / Widerstand und The Legacy freuen. Wobei es der letzte Band bislang leider nicht zu einer deutschen Übersetzung gebracht hat. Die Reihe lässt sich aber auch im Original wirklich gut lesen.
Übrigens ist Gemma Malley nicht auf den Dystopiezug aufgesprungen, der seit den The Hunger Games / Die Tribute von Panem die Buchläden füllt. The Declaration / Der Pakt ist fast ein halbes Jahr vor The Hunger Games / Tödliche Spiele erschienen. Und obwohl sich in dieser Welt keine Kinder gegenseitig Abschlachten, ist die Grundidee meines Erachtens noch perfider und lebensfeindlicher geraten. Am besten ihr bildet euch einfach selbst ein Urteil...

Jetzt bei Amazon.de via Partnerlink* kaufen: Deutsche Ausgabe ~ Original-Ausgabe

4 Kommentare | Facebook | Twitter