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11.

Jun 2011

~nia

The Giver / Hüter der Erinnerung

Jonas ist kurz davor ein Zwölfer zu werden. Dieser Tag ist wohl der wichtigste in seinem Leben, denn er erfährt, für welchen Beruf er infrage kommt und wie er diesen lernen wird. Außerdem steigt er damit formell zum Rang der Erwachsenen auf. Immer im Dezember ist es soweit und die Zermonie findet statt. Alle Kinder der Gemeinschaft nehmen daran teil und bekommen mit dem neuen Status neue Rechte und Pflichten zugeteilt: Angefangen bei den Einsern, die das Säuglingszentrum verlassen und ihre Eltern kennenlernen, über die Zweier, Dreier, Vierer bis hin zu den Elfern und Zwölfern. Jonas kann es kaum erwarten, auch wenn das bedeutet, dass seine Jugend vorbei ist und sich wohl alles ändern wird.

Da Jonas Vater im Säuglingszentrum arbeitet bekommt die Familie kurz vor der Zermonie den kleinen Säugling Gabriel (Eli) in Pflege. Eli ist noch noch nicht soweit, um zu den Einsern aufzurücken, weil er noch nicht alleine durchschlafen kann, aber er soll auch nicht 'freigegeben', also aus der Gemeinschaft verwiesen werden, weil die Pfleger Potential in ihm sehen.

Am Tag seiner Zermonie erfährt Jonas dann, dass er künftig ein ganz besonders ehrwürdiges und außergewöhnliches Amt übernehmen soll. Er wird zum Hüter der Erinnerungen ernannt. Der alte Hüter wird ihn einarbeiten, um danach ins Altenzentrum überzusiedeln. Jonas beginnt seine Ausbildung bei dem alten Mann, den er nur Geber nennen soll und erfährt schnell, was es mit dem 'Geben' auf sich hat. Stück für Stück überträgt der Geber Jonas Erinnerungen: an Schnee, an Sonnenschein, an das Meer; alles Dinge, die die Gemeinschaft nicht mehr kennt, weil es dem ‚Gleichsein’ entgegensteht. Jonas lernt Farben und Formen kennen und ist begeistert, plötzlich in einer bunten Welt zu leben. Doch der Hüter verfügt nicht nur über positive Erinnerungen. Jonas erlebt auch, was es heißt Schmerzen zu haben, was Blut ist, was Tod ist und zu welchen Greueln die Menschen in der Lage sind. Jede Erinnerung, die Jonas übertragen bekommt, geht dem alten Hüter verloren. Jonas begreift schnell, dass das Leben des Hüters ein sehr einsames ist, kann er doch mit niemandem als dem Geber über seine Erfahrungen reden und auch das nur für eine begrenzte Zeit.
Außerdem wird Jonas klar, worauf die Gemeinschaft für ihr gleichmäßiges Leben alles verzichtet. Als er dann erfährt, was es mit dem 'Freigeben' in Wirklichkeit auf sich hat, fasst Jonas einen tollkühnen Plan.

Lois Lowrys The Giver / Hüter der Erinnerung ist ein ziemlich beeindruckendes dystopisches Kinder- und Jugendbuch. Anfangs scheint Jonas Welt perfekt zu sein: Gibt es doch keinen Hunger, keine Schmerzen, keine Gewalt und keinen Krieg. Mit der Zeit erfährt man aber, worauf die Menschen dafür alles verzichten müssen: es gibt keine Farben, keinen Sonnenschein, keine Jahrszeiten, keine Familienbande und überhaupt keine tiefen Emotionen wie Liebe und Freude oder Trauer und Wut. Das Buch macht einem bewusst, was das 'Mensch sein' ausmacht und was für ein Glück es ist, frei und individuell zu sein. Lowry vermittelt Werte ohne belehrend zu sein: Das Buch ist in seiner Idee und Sprache eher einfach gehalten, doch genau darum wirkt es noch eindrücklicher. Mich hat Hüter der Erinnerung berührt und zum Nachdenken gebracht, wie einstmals Huxleys Brave new world oder Lessings Nathan der Weise, ohne dabei so deprimierend oder so schwer verdaulich zu sein.

Das Buch ist übrigens im Original im Jahr 1993 erschienen und ist damit der aktuellen 'Dystopie-Schwemme' weit voraus. The Giver / Hüter der Erinnerung ist der erste Teil einer lose zusammenhängenden Trilogie, das Buch ist aber wunderbar einzeln zu lesen.

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