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10.

Oct 2015

~nia

Hamlet

Gibt es jemanden, der die Geschichte um Hamlet nicht kennt? Selbst wer William Shakespeares Werk nie gelesen hat, kennt zumindest die berühmten Zitate: Die Frage nach dem Sein oder Nichtsein (To be, or not to be: that is the question), die Aussage um den verfaulenden Zustand des Staates Dänemark (Something is rotten in the state of Denmark) und der Hinweis auf die Schwachheit, deren Name Weib ist (Frailty, thy name is woman!).

Das Stück basiert auf einer viel älteren Geschichte, die Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts in London sehr beliebt war und auf diesem Wege auch William Shakespeare zu Ohren kam.
Hamlet ist Prinz von Dänemark. Sein Vater (ebenfalls ein Hamlet) ist gestorben und seine Mutter, Gertrude, hat in höchst unziemlicher Hast nur einen Monat nach der Beerdigung den Bruder ihres verstorbenen Mannes, Claudius, geheiratet. Hamlet, der den Verlust des Vaters längst nicht verwunden hat, ist empört und verletzt. Als ihm dann noch der Geist seines Vaters erscheint und klar wird, dass sein Onkel den Bruder schändlich vergiftet hat, ist es ganz aus. Hamlet schwört Rache. Er beschließt, sich verrückt zu stellen und dem Onkel den Garaus zu machen. Doch Hamlet ist ein junger Mann und Student, gut mit Worten und dem Degen im Wettbewerb, aber längst nicht so kaltblütig und habgierig wie sein Onkel. Als er die Gelegenheit hat, Claudius alleine aufzulauern, zögert Hamlet und übt keine Rache. Da er aber Onkel und Mutter im Rahmen eines inszenierten Schauspiels bloßgestellt hat, will Claudius nun auch noch Hamlet loswerden. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf und die Beteiligten sterben wie die Fliegen. Am Ende überleben nur Hamlets Freund Horatio und Fontinbras, Neffe des benachbarten und konkurrierenden Königreichs Norwegen, um von Hamlets tragischem Schicksal zu berichten.

Es hat drei Anläufe gebraucht, bis ich Hamlet endlich erfolgreich bezwungen habe. In der Schule haben wir William Shakespeare nicht gelesen (mein Leistungskurs war Deutsch, nicht Englisch) und meine zwei Versuche, das Stück als Teenager und junge Erwachsene zu lesen, sind kläglich gescheitert - noch bevor Hamlet überhaut die Bühne betreten hat. Es brauchte tatsächlich einen reiferen geistigen Zustand und eine verlockende Aussicht, um mich zum Lesen von Hamlet zu motivieren. Eine meiner Freundinnen aus dem Sherlock-Fandom hat ihre Karten für die noch bis Ende Oktober stattfindenden (und längst ausverkauften) Aufführungen mit Benedict Cumberbatch als Hamlet im Barbican in London verkauft und da musste ich einfach zugreifen. Und natürlich gucke ich kein Stück auf der Bühne an, dessen Inhalt ich nicht wirklich kenne. Also war ich bei meinem dritten Hamlet-Anlauf motiviert genug. ;p

Selbst wenn meine englischen Sprachkenntnisse inzwischen wirklich nicht schlecht sind, ist das Englisch des 16. Jahrhunderts doch eine Herausforderung. Es war logisch, dass ich auch die deutsche Version brauchen würde. Nach etwas Recherche war klar, dass sich bei Hamlet die Geister scheiden, und so habe ich mir nicht nur eine, sondern zwei bilinguale Ausgaben besorgt - die sich im Englischen aber besonders im Deutschen unterscheiden. Schon William Shakespeare hat verschiedene Versionen von Hamlet geschrieben. Neben dem Ur-Hamlet existieren weitere drei Manuskript-Versionen. Kein Wunder, dass es bei den Übersetzungen nicht anders ist. Also habe ich verglichen: die alte Übersetzung, die im frühen 19. Jahrhundert von Ludwig Tieck und August Wilhelm Schlegel erstellt wurde, mit der neuen, die aus der Feder des aktuellsten Übersetzers Frank Günther stammt.

Tatsächlich hat es richtig viel Spaß gemacht, das Werk zu lesen und zwar in beiden Sprachen. Ich kann ganz klar sagen, dass ich die neue Übersetzung bevorzuge. Nach der Hälfte des Textes mit der alten Übersetzung, war ich froh, wechseln zu können. Meines Erachtens ist die moderne Version viel lebensnaher und bringt viel mehr von dem weltlichen Charme rüber, den William Shakespeares Werk auf der Bühne hat. Mir ist klar, dass nicht jeder dieser Meinung ist, doch mich konnte die neuere Auflage wirklich weit mehr unterhalten, als die alte Version. Bei der sind im Englischen viele Vokale weggekürzt (insbesondere von Verben), was vielleicht William Shakespeares niedergeschriebenen Versionen näher kommt, das Verstehen der Worte aber noch schwieriger macht. Hinzu kommt, dass mir das altertümliche Deutsch verschwurbelter erschien als beispielsweise im zweiten Teil von Goethes Faust und ich dachte, dass sei fast unmöglich. Also, wer lesen möchte, worum es bei Hamlet geht, greife besser zur aktuelleren Version.

Doch noch besser ist es, sich das Stück anzugucken. Lesen ist gut und schön, doch Hamlet gehört auf eine Bühne. Es ist etwas komplett anderes, Hamlet dabei zuzusehen, wie er den Verrückten spielt oder darüber sinniert, ob sein Leben einen Sinn oder eben keinen hat. Wenn er seine Mutter auf Knien anfleht, den Onkel doch nicht ins Ehebett zu lassen, oder wenn er sich dem Mann im Duell stellt, dessen Vater er tatsächlich umgebracht hat.

Und für alle, die es wissen wollen: Benedict Cumberbatch war meiner Meinung ein fantastischer Hamlet, dem eine brillante Truppe zur Seite stand. Wer kann, sollte sich die Aufführung wirklich angucken. Etwa in der weltweiten Kinoübertragung, die am 15. Oktober live aus dem Barbican übertragen wird, und die auch noch zu weiteren Terminen danach im Kino laufen wird. Neben dem Star der Aufführung ist allein das Bühnenbild von Es Devlin Grund genug, in Ehrfurcht zu erstarren.

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Kommentare

1 - 2 von 2 Kommentaren auf der Seite.

MJ schrieb am 11.10.2015 18:12:53:

Haha, sehr coole Rezi :D
Bin ja nach wie vor noch furchtbar neidisch, wäre zu gerne dabei gewesen. Und ich liebe auch das Barbican Poster, da werde ich mir definitiv bei Gelegenheit mal eines besorgen ;)

nia schrieb am 12.10.2015 00:56:30:

Danke meine Liebe! Es hat wirklich Spaß gemacht. Sowohl das Lesen als auch das Angucken. Werde im nächsten Frühjahr auch eine deutsche Inszenierung angucken - gleich in der Nachbarstadt gibt es ab Ende Februar eine Inszenierung. Ich bin gespannt, wie das Stück auf Deutsch rüber kommt. :D

Das Bild hat es mir total angetan und zum Glück ziert es auch das teure, aber schöne Programmheft. :D

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