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02.

Apr 2012

~nia

Spiegelkind

Julis Mutter Laura ist spurlos verschwunden. Die 15-Jährige kann nicht fassen, dass die Polizei kaum einen Finger rührt, um Laura zu finden. Stattdessen gehen sie davon aus, dass Julis Mutter einfach abgehauen ist und sich 'eine Auszeit' genommen hat. Auch ihr Vater reagiert anders, als Juli das erwartet. Zwar scheint er leicht beunruhigt, aber noch mehr liegt ihm daran, einen Mantel des Schweigens über das Geschehen auszubreiten. Um Juli und ihre beiden jüngeren Geschwister, Kassie und Jaro zu versorgen, holt er ihre Großeltern mit ins Haus. Auch diese scheinen mehr als froh zu sein, die unbequeme und skandalöse Schwiegertochter endlich los zu sein.
Denn Julis Mutter hat sich vor kurzem vom Vater scheiden lassen. Und das in einer Gesellschaft, in der Normalität und Gleichschaltung die höchsten Güter sind und von fast allen erstrebt werden. Eine Scheidung und ein geteiltes Sorgerecht sind aber andere als normal.

Juli versucht, auf eigene Faust mehr über Lauras verschwinden herauszufinden. Dabei entdeckt sie, dass ihre Familie längst nicht so normal ist, wie immer gedacht: Laura ist eine Phee. Den Pheen werden die unterschiedlichsten Kräfte zugesprochen: manche davon hören sich unglaublich und märchenhaft an, andere erscheinen einfach nur freakig, also abseits der Norm zu liegen. Juli hat überhaupt keine Ahnung, was es bedeutet, die Tochter einer Phee zu sein. Jeden, den sie um Informationen bittet, gerät völlig außer sich und wendet sich von ihr ab. Einzig Ksü, die neue Mitschülerin die Juli als Tutorin betreuen soll, versucht sie bei ihrer Recherche zu unterstützen. Ksü, die Juli anfangs Frucht einflößend fand, scheint tatsächlich eher freakig, mit ihren seltsamen Klamotten und ihrer Tätowierung auf dem Kopf. Doch Ksü ist für Juli da, als es die Erwachsenen und die anderen Mitschüler nicht sind. Dass auch Ksü ein Geheimnis hat und ihr großer Bruder Ivan mehr weiß, als er zugibt, muss Juli erst noch herausfinden. Genauso, was es mit den Quadrums, Lauras wunderschönen Bildern, auf sich hat.

Spiegelkind ist Alina Bronskys erstes reines Jugendbuch und Auftakt der Spiegel-Trilogie. Das Buch besticht gleich von Außen durch einen wunderschön gestalteten Schutzumschlag. Doch auch das Innere, die Geschichte um Juli und ihre Mutter, die Phee, ist sehr fesselnd. Das liegt an der tollen Idee, eine dystopische Gesellschaft mit einer märchenhaften Gattung wie den Pheen auszustatten. Eine Kombination, die sicher ungewöhnlich ist, aber in keiner Weise unnatürlich oder gewollt erscheint. Julis Welt wirkt oft sehr vertraut, um den Leser dann wieder mit Elementen zu konfrontieren, die hoffentlich - manchmal auch leider - so unmöglich sind. Alina Bronsky schreibt unterhaltsam, spannend und eindringlich.
Juli selbst fand ich allerdings ein bisschen unglaubwürdig. Dass sie 15 Jahre lang nicht mitbekommen haben will, wie restriktiv und engstirnig die Welt der 'Normalos' mit ihrem Abscheu vor den Pheen ist, fand ich, samt der Erklärung dafür, einfach nicht überzeugend. Spätestens ab einem Alter von 12 oder 13 will man doch die Welt entdecken und fängt an, das Bekannte und Alltägliche zu hinterfragen. Ein weiterer Kritikpunkt sind die manchmal etwas farblos wirkenden Charaktere. Sieht man von Juli, Ksü und bis zu einem gewissen Grad auch von Laura ab, bleiben alle anderen Personen entweder eindimensional oder unnahbar. Hier bleibt zu hoffen, dass sich dies im zweiten Band deutlich ändert. Sollten Ivan, Kassie und Jaro noch wichtiger werden oder das Pheenerbe deutlicher zu Tage treten, hätte ich nichts dagegen.
Alles in allem ist Spiegelkind ein gutes und spannendes Buch mit leichten Schwächen.

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