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24.

Apr 2014

~ND

The Scars of Us

Kaiya ist Mitte zwanzig, hat einen langweiligen aber sicheren Bürojob und wohnt mit ihrem Bruder Kamden in einem netten Apartment. Nach Außen hin sieht ihr Leben ganz normal aus. Doch Kaiya hat Dämonen, die sie schon ihr ganzes Leben lang verfolgen. Sie wurde jahrelang missbraucht - von einem Menschen, dem sie eigentlich mehr als jedem anderen vertrauen können sollte.
Deshalb kann sie es heute kaum ertragen berührt zu werden. Sex und Intimität kann sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen zulassen und an eine Beziehung ist gar nicht zu denken. Bisher hat sie allerdings auch noch niemanden gefunden, der sie wirklich gereizt hätte.
Zumindest bis sie zu einem neuen Fitnessstudio wechselt und dort einen Selbstverteidigungskurs besucht. Als sie zum ersten Mal ihren Trainer Ryker sieht, sprühen sofort die Funken. Obwohl er riesig, tätowiert und dominant ist, fühlt sich Kaiya auf Anhieb wohl mit ihm - und das ist ihr noch nie passiert. Doch sie weiß, dass sie sich von Ryker fernhalten sollte. Sie selbst ist absolut nicht in der emotionalen Verfassung, sich auf jemanden einzulassen. Abgesehen davon, ist Ryker außerdem der größte Weiberheld, den die Stadt zu bieten hat. Doch je mehr Zeit die beiden inner- und außerhalb des Trainings miteinander verbringen, umso mehr freunden sie sich an. Und es dauert nicht lange, bis Kaiya feststelle muss, dass Ryker das Wort 'aufgeben' nicht kennt. Doch wird er sie auch noch wollen, wenn er die ganze Wahrheit über sie erfährt?

Ich muss euch gleich von Anfang an vorwarnen: Diese Rezension wird nicht nett und ohne einen kleinen Spoiler werde ich auch nicht auskommen. Denn obwohl es immer wieder Ansätze in The Scars of Us von Nikki Narvaez gibt, die mir richtig gut gefallen haben, so schafft es das Buch gleichzeitig aber auch, jede Menge Kleinigkeiten in sich zu vereinen, die mich in Büchern oft furchtbar ärgern. Vermutlich genau weil die Geschichte eigentlich Potential hat, haben mich diese Details besonders aufgeregt.
Fangen wir bei den Charakteren an: Sowohl Ryker als auch Kaiya sind mir ziemlich unsympathisch. Ryker ist das typische Alphamännchen. Er ist durch eine schlimme Erfahrung in der Vergangenheit gebrandmarkt, die ihn gleichzeitig verletzlich, aber auch beziehungsunfähig (oder eher -unwillig) gemacht hat. Er ist tätowiert, muskelbepackt, unglaublich gutaussehend - und eben absolut nichts Neues. Dazu kommt, dass er kaum ein normales Gespräch mit einem anderen Mann führen kann, ohne dass es in einem testosterongeladenen Faustkampf endet.
Kaiya ist zwar nicht wirklich besser, aber sie ist wesentlich komplexer. Ihre Ausgangssituation ist eigentlich sehr interessant. Sie wurde als Jugendliche lange Zeit missbraucht, hatte aber eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Angreifer, denn - und hier kommt der oben erwähnte kleine Spoiler ins Spiel - der Mann, der sie misshandelt hat, war ihr eigener Bruder Kaleb (das kommt ca. nach 20% in der Geschichte raus, ist aber eigentlich vorher schon klar). Und es hat schon früh angefangen. Kaiya kannte lange Zeit nichts anderes und dachte daher, das Verhalten ihres Bruders sei normal - und verspürte sogar einem gewisse Lust dabei. Zumindest bis alles eskaliert. All das ist zwar harter Tobak, bietet aber auch eine spannende Grundlage. Leider geht es von hier aus aber bergab. Viele gute Ansätze, wie z.B. der Standpunkt der Mutter oder die Situation mit Kaiyas Bettgeschichte Bryce werden ziemlich banal und unbefriedigend abgehandelt. Auch Kaiya selbst ist einfach ein schrecklicher Charakter. Sie ist zickig, anstrengend, verliert sich ständig in Selbstmitleid und ein großer Feigling. Sie geht jeder Konfrontation aus dem Weg und anstatt etwas auszudiskutieren, ignoriert sie die Menschen und versteckt sich vor ihren Problemen.
Doch das ist nur der Anfang. Kaiya und Kamden haben eine sehr innige Beziehung. Ich musste mich allerdings fragen, ob das so realistisch ist. Denn nicht nur leben sie zusammen, wenn es Kaiya schlecht geht, schläft sie auch in seinem Bett - in seinen Armen. Nach allem, was ihr anderer Bruder ihr angetan hat, machte mich das von Anfang an etwas stutzig. Würde sie das wirklich zulassen? Ebenfalls nicht sonderlich glaubwürdig ist Rykers Verhalten in seiner Selbstverteidigungsklasse. Es ist offensichtlich, dass Kaiya schlimme Erfahrungen gemacht hat und trotzdem presst er seine Erektion bei jeder Gelegenheit an ihren Hintern - und ihr gefällt es. Sie befinden sich in einer Situation, die Kaiyas schlimmstes und prägendstes Erlebnis imitiert und die beide nutzen das Training als ihre persönliche Vorspielwiese. Auch sonst tun die Charaktere so ziemlich alles, was mich in einem Buch so stören kann: Ständig wird getrunken bzw. sich betrunken, um sich danach schön hinters Steuer zu setzen. Außerdem kommt es relativ spontan zum ersten Sex zwischen den beiden. Natürlich ohne Verhütung - die gute, alte und immer zuverlässig "Raus-zieh-Variante" macht's möglich (von Krankheiten will ich gar nicht sprechen). Und das sind nur ein paar Beispiele.

Wenigstens der Schreibstil war eigentlich ganz annehmbar. Nikki Narvaez hat sich viel Mühe gegeben, eine abwechslungsreiche Wortwahl zu bieten. Allerdings ist sie manchmal ein bisschen über's Ziel hinaus geschossen. Denn anstatt einfach mal etwas zu sagen, murmeln, kontern, kommentieren und kichern sich ihre Figuren durch die Geschichte. Weniger wäre hier mehr gewesen, vor allem da die Autorin sowieso ein bisschen zur übertriebenen Anwendung von Adverbien und Adjektiven neigt.

In gewisser Hinsicht ist es wirklich schade um The Scars of Us von Nikki Narvaez. Eine ziemlich interessante Grundprämisse wurde durch Klischees und Übertreibungen kaputt gemacht. Wäre die Autorin etwas sensibler und bedachter mit ihrer Handlung und den Figuren umgegangen, hätte dieses Buch eine ziemlich gute Geschichte werden können. So war sie im Großen und Ganzen leider eine riesige Enttäuschung für mich.

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