Buchjunkies


Rezensionen Empfehlungen Autoren Reihen Tags Rezensionsarchiv

06.

Mar 2014

~ND

Transcendence

Was passiert, wenn ein Höhlenmensch ohne Sprache und eine moderne Frau des 21. Jahrhunderts aufeinander treffen?

Seit ein Waldbrand vor Jahren seine gesamte Familie getötet hat, ist Ehd allein. Er lebt in einer kleinen Höhle und existiert vor sich hin, ist aber drauf und dran aufzugeben, wenn er ehrlich mit sich ist. Was bringt ihm schon sein Leben, wenn er immer alleine ist?
Doch dann geschieht etwas völlig Unerwartetes: Eine junge Frau sitzt hilflos in einer seiner Fallen. Irgendwas stimmt allerdings nicht mit ihr. Sie trägt merkwürdige dünne und viel zu bunte Kleidung, die nicht aus Leder oder Fell besteht und es kommen ständig unangenehme und unverständliche Geräusche aus ihrem Mund. Trotzdem ist sie das schönste Geschöpf, das er je gesehen hat.
Für Ehd ist der Fall klar: Er hat endlich seine Partnerin gefunden und kann seine Lebensaufgabe erfüllen - sie beschützen, für sie sorgen...und Babys machen. Doch Beh - deren Namen er als einziges aus ihren ständigen Geräuschen herauserkennen konnte - sieht das ganz anders. Sie scheint furchtbare Angst vor ihm zu haben und hat keinerlei Interesse daran, auf seine Avancen einzugehen. Ehd versteht die Welt nicht mehr. Doch jetzt, da er endlich seine Gefährtin fürs Leben gefunden hat, denkt Ehd gar nicht daran aufzugeben. Er wird Beh davon überzeugen, dass er ihr alles geben kann, was sie braucht. Selbst wenn er sich dabei die Geräusche aus ihrem Mund anhören muss, die ihm ständig Kopfschmerzen bereiten.

Tja, was soll ich sagen zu Shay Savages Transcendence? Im ersten Moment klingt das Buch einfach nur schräg. Um ehrlich zu sein habe ich es auch eher auf Drängen einer Freundin gelesen. Doch am Ende war Transcendence wirklich eine wirklich positive Überraschung und ich bin froh, es gelesen zu haben.
Es ist allerdings erst mal ein bisschen schwierig, in das Buch hineinzufinden. Ehd ist wirklich anders: Es ist ihm physisch unmöglich zu sprechen. Außer ein paar Lauten und Namen kann sein Verstand Sprache und Bedeutungen nur schlecht vereinen. Seine Aufgaben im Leben sind einfach: Essen, Obdach, Fortpflanzung. Doch obwohl seine Ziele simpel sind, ist Ehd selbst es nicht. Klar, er versteht viele Dinge nicht, wie ein moderner Mensch es tut, gleichzeitig ist er aber auch ein sehr sanfter und intelligenter Kerl. Es hat nicht lange gedauert, bis er mir trotz aller merkwürdigen Eigenschaften ans Herz gewachsen ist.
Wirklich spannend wird es aber natürlich erst, als er auf Beh (eigentlich Elisabeth oder Beth) trifft. Ehd hat lange Zeit keinen Kontakt zu anderen Menschen mehr gehabt und schon gar nicht zu einer jungen Frau in seinem Alter. Wie gesagt ist für ihn ziemlich schnell klar, dass die beiden bald anfangen müssen, eine Familie zu gründen. Beh, die natürlich vollkommen überfordert mit der Situation ist, hat alle Hände voll zu tun, sich ihn vom Hals zu halten. Genau das hat aber auch für jede Menge wirklich lustiger Situationen gesorgt. Viele Dinge, die für Ehd selbstverständlich sind, versteht Beh überhaupt nicht - und umgekehrt natürlich genauso. Aber auch sonst ist der Vergleich zwischen Höhlen- und modernem Menschen ziemlich interessant. Für Ehd gibt es keinen sozialen Druck. Wenn ihm nach weinen ist, dann weint er und wenn er Angst vor etwas hat, dann zeigt er das auch. Ebenso sind ihm Dinge wie falscher Stolz völlig fremd. Andersherum kann er dementsprechend z.B. auch nicht begreifen, was los ist, wenn Beh die Beleidigte spielt. Da gibt es für den Leser wirklich einige witzige, kuriose und unterhaltsame Details zu entdecken.
Doch so lustig das alles klingt, eigentlich ist Transcendence ein relativ ernst gemeintes und emotionales Buch. Ehd hat mir wirklich schrecklich Leid getan in seiner Einsamkeit und seine Sehnsucht nach menschlichem Kontakt kann man auf jeder Seite spüren. Und auch wenn seine Gefühle auf den ersten Blick etwas einfach und primitiv wirken mögen (und zugegeben manchmal auch sind), entwickeln sich allerdings ganz anders im Laufe der Geschichte.

Ein kleiner Kritikpunkt ist allerdings, dass das Buch wirklich komplett aus Ehds Sicht geschrieben ist. Das bedeutet zwar, dass es dem Leser wesentlich einfacher fällt, sich Ehd (dem schwierigeren Charakter) verbunden zu fühlen, allerdings wäre eine geteilte Perspektive zwischen Ehd und Beh für mich die optimale Lösung gewesen. Denn im Vergleich zu Ehd wirkt ihr Charakter manchmal ein wenig blass bzw. wären ihre Reaktionen auf sein Verhalten manchmal sicher auch sehr unterhaltsam gewesen. Der Vorteil ist allerdings, dass es das Rätsel um Behs Herkunft umso interessanter macht.
Sex spielt übrigens natürlich ebenfalls eine extrem wichtige Rolle. Ehd ist fest entschlossen "to put a baby" in Beh. Dieser exakte Satz fällt unzählige Male. Meist ist es eher lustig, ich könnte mir aber vorstellen, dass es dem ein oder anderen irgendwann auf die Nerven gehen könnte.

Transcendence von Shay Savage ist ein außergewöhnliches Buch. Ehd ist mal wirklich ein völlig einzigartiger Held, als alle, die ich bisher gewohnt war. Der Leser muss zwar bereit sein, sich auf einige Dinge einfach einzulassen, wie z.B. dem völligen Fehlen von Dialogen, wird allerdings mit einer wirklich interessanten, sonderbaren kleinen Geschichte belohnt. Übrigens ist der Epilog fast das Beste an Transcendence, denn der bringt alles noch einmal zusammen und schließt den Kreis und hat mich das Buch mit einem zufriedenen Grinsen zuschlagen lassen.

Jetzt bei Amazon.de via Partnerlink* kaufen: Original-Ausgabe

2 Kommentare | Facebook | Twitter