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30.

Jul 2013

~nia

Incarceron / Incarceron - Fliehen heißt sterben

Finn ist ein Häftling in dem sichersten aller Gefängnisse, in Incarceron. Er kann sich nicht erinnern, wer er ist und ob er wirklich vor 3 Jahren mit etwa 15 als Zellgeborener erwacht ist. Oder, ob er - wie er selbst glaubt - von ganz wo anders (außerhalb?) stammt. Finn hat Visionen von Dingen, wie etwa dem Sternenhimmel, die es in Incarceron nicht gibt. Nur dadurch erhält er seinen Rang bei den Comicatus, einer der Gruppe aus Plünderern, die andere Gefängnisinsassen überfallen. Eigentlich hat Finn ein zu weiches Herz für diese harte und grausame Welt. Doch sein Eidbruder Kiero und Gildas, ein weiser Berater der Comicatus, schützen ihn vor dem rauen Gefängnisleben aber auch vor sich selbst. Keiro und Gildas verfolgen aber in erster Linie ihrer eigenen Interessen. Gildas beispielsweise sieht großes Potential in Finns Visionen, um mit ihrer Hilfe einen Weg aus dem Gefängnis zu finden. Und als Finn in den Besitz eines seltsamen Schlüssels gelangt, der ihm in Incarceron Türen und Wege öffnet, die es gar nicht gibt, überschlagen sich die Ereignisse.
Claudia ist eine reiche, gebildete junge Frau, deren Vater der Wächter des als paradiesisch geltenden Incarcerons ist. In ihrer Welt ist Fortschritt verboten und man klammert sich an ein sehr altertümliches Protokoll von Gesetzmäßigkeiten. Demnächst soll sie die Frau des Thronfolgers Casper werden. Doch auch nach Jahren noch trauert sie dem Verschwinden seines älteren Halbbruders Giles nach. Zusammen mit ihrem Lehrer und Vertrauten Jared versucht sie nicht nur das Geheimnis von Incarceron zu lüften, sondern auch die seltsamen Umstände hinter Giles Verschwinden aufzudecken. Als sie aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters einen Schlüssel entwendet, macht sie die Bekanntschaft von Finn.
Incarceron lebt. Über viele tausend Augen behält es seine Insassen im Blick und notiert jede ihrer Handlungen. Vor ewigen Zeiten hat das Gefängnis einmal sein Herz verloren und lässt dies alle Gefangen spüren. Denn die einzige Person, die es einst hat fliehen lassen, ist trotz eines Versprechens nie zurückgekehrt. Das soll Incarceron nicht noch mal passieren. Und so bietet das Gefängnis alle Kräfte auf, um Finn und seine Mitstreiter in seinem Inneren zu halten und auch Claudia an der Nase herum zu führen...

Incarceron / Incarceron - Fliehen heißt sterben ist ein super interessantes Fantasybuch. Die Idee von dem lebendigen und allgegenwärtigen Gefängnis macht das Buch zu etwas besonderem - Gänsehautgefühl inklusive, wenn man in die Gedankenwelt von Incarceron eintauchen darf.
Allerdings lässt sich Catherine Fisher Zeit mit den Entwicklungen. Erst einmal lernt man beide Welten, die von Incarceron und die außerhalb, kennen, und damit auch die beiden Protagonisten Finn und Claudia. Es dauert einige Zeit, bis man die Zusammenhänge begreift zwischen dem hochtechnischen und -entwickelten Gefängnis und der altertümlichen Wirklichkeit. Noch länger braucht es, um Claudia und Finn lieb zu gewinnen. Denn beide sind nicht perfekt und führen harte Kämpfe mit sich und ihrer Umwelt:
Claudia ist arrogant, herrisch und hart - jedenfalls erweckt sie diesen Eindruck, gegenüber ihrem Vater, ihrem Bräutigam Casper, seiner Mutter der Königin und allen Dienstboten in ihrem Leben. Einzig Jared lässt sie ihr wahres Ich sehen. Sie sorgt sich um ihre in Konventionen erstarrte Welt, aber noch mehr um den Gesundheitszustand ihres Lehrers. Sie sehnt sich nach Liebe und Zuneigung etwa durch ihren harten Vater. Sie mochte denn schlauen und freundlichen Giles und hatte gehofft, mit ihm ihr Glück zu finden.
Finn hat zwar eigentlich ein weiches Herz, doch zwingt ihn das Leben in Incarceron dazu hart gegen sich und andere zu sein. Seine weniger schönen Aktionen lasten schwer auf seinem Gewissen, was zu starken Selbstzweifeln führt. Zusätzlich machen ihm seine Visionen das Leben schwer. Dadurch kommt er sich immer wieder sehr fremd in Incarceron vor und der Funke, von woanders her zu stammen, bleibt am Leben. Doch durch sein Grübeln und Lamentieren wirkt er auf den Leser manchmal schwächlich und anstrengend. Zum Glück häufen sich aber die Momente, in denen er Entscheidungen trifft, die aus seinem Herzen kommen und mit dem Beginn seiner Schlüssel-Kommunikation zu Claudia gewinnt er auch einen Kampfgeist, in dem es um mehr als nur das Überleben geht.

Zusätzlich sind auch die Nebencharaktere in Incarceron / Incarceron - Fliehen heißt sterben sehr ausgefeilt angelegt. Nur wenige sind so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Niemand ist nur 'Beiwerk' - alle verfolgen ihre eigenen Ziele und manch einer schreckt dabei vor nichts zurück. Trotzdem erlebt man immer wieder Überraschungen und die Personen bieten charakterliche Grautöne in allen Variationen. Das war für mich eine positive Entdeckung während des Lesens und hat Incarceron / Incarceron - Fliehen heißt sterben zusammen mit dem wirklich schönen Schreibstil von Catherine Fisher zu einem Highlight gemacht.
Zwei Kritikpunkte habe ich aber dennoch: So war mir ein ganzer Teil der Zusammenhänge zu vorhersehbar. Witzigerweise macht diese Tatsache aber auch den Reiz aus, unbedingt im zweiten Band Sapphique (Amazon-Partnerlink*) weiterlesen zu wollen. Außerdem wird das Buch zum Ende hin ein wenig hektisch. Hier hätte manch eine Erklärung ausführlicher sein dürfen. Ich hoffe beispielsweise, dass im Weiteren noch erläutert wird, warum oder wie Incarceron sein Eigenleben entwickelt hat. Besonders faszinierend wäre es, wenn man noch öfter in das Seelenleben des Gefängnisses selbst blicken dürfte. Das waren für mich echte Highlights, die mich sehr an mein Lesegefühl bei der Otherland / Otherland-Reihe (einer meiner Lieblingsreihen) erinnert haben.

Fazit: Ein sehr interessantes Fantasybuch mit vielschichtigen Charakteren und einer ziemlich abgefahrenen Idee um das lebendige Gefängnis Incarceron. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

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